Diamant, Drache und Glück (d.t,EN)

Julia Stellmann

Senfgelb und weinrot stapeln sich Kisten, bergen goldglänzende Ladung im Innern, das wertvolle Gut der Weissagung.Was ist Glück? Findet es sich eingeschlossen in knusprigem Gebäck? Hoffnung liegt in den Schachteln gelagert, eingebacken in Teigwaren, wartet auf gedruckten Zetteln als sü.es Versprechen.Wer aufgeregt die Verpackung zwischen den Fingern knistern lässt, den Keks bricht, kann sie noch vor Auffalten der Botschaft auf der Zunge spüren, die klebrigen Worte von Weisheit und Wahrsagung, die vermeintlich zur Wahrheit führen.

Es sind Kartons, die Diamanten im Namen tragen, als Firmenname „Diamond“ in Versalien. Aufgedruckte Drachen bewachen die frisch gebackene Ladung, vermitteln gemeinsam mit goldener Hülle Wertigkeit, wo keine ist. Woher die Glückskekse ursprünglich stammen, ist nicht abschließend geklärt. Wahrscheinlich aber wurden sie im frühen 20. Jahrhundert von japanischen Einwanderern erfunden und in Kalifornien etabliert. Entgegen allgemeiner Auffassung führte man das Sü.geb.ck erst in den 1990er Jahren erstmals nach China aus, war dieses dort vorher völlig unbekannt, auch wenn Asiat*innen die amerikanische Exportware heute als Teil ihrer traditionellen Kultur begreifen.

In der durchfensterten Glasarchitektur des Palace aber türmen sich die Kekse nicht als Berg von goldenen Kostbarkeiten oder liegen aufgebrochen am Grund, sondern befinden sich noch verpackt in Transportkisten. Der Eindruck von Lagerhallen großer Lebensmittelhändler entsteht, wird von Überwachungsspiegeln verstärkt, als würden diese beim Be- und Entladen helfen. Von weitem betrachtet wirkt die Arbeit im Palace zunächst als dreidimensionales Bild, kehren die Spiegel wie in Gemälden der Alten Meister verborgene Wahrheiten ans Licht. Sie machen die Installation von jedem Standort aus zum allansichtigen, fast kubistisch anmutenden Kunstwerk, welches wie in einer Vitrine umschlossen liegt oder losgelöst im öffentlichen Raum platziert scheint.

„OPEN HERE“ steht in Großbuchstaben auf vorgeprägter Lasche. Sie ist Wegweiser für das Öffnen der Pakete, Eingangstor zum im Dunkel verborgenen Schatz. Offen ist auch die Architektur des Palace, die Blicken rund um die Uhr Einlass gewährt und doch als gläserne Wände für Neugierige unsichtbare Barrieren schafft. Gleichsam sind die Kartons im Innern sichtbar und trotzdem geschlossen. Die metallischen Verpackungen der Glückskekse erinnern entfernt an die Beschaffenheit von Rettungsdecken, die bereits in einer Ausstellung von Künstler Sangchul Lee 2017 in Seoul Verwendung fanden. Als Kartons gestapelt wachsen die Kisten wie in einem Treibhaus bis an die vorgegebenen Grenzen, lassen an Andy Warhols Brillo-Boxen denken, die eine neue Art Realismus begründeten, alltäglichen Konsum in die Kunst überführten. Jenseits romantisch verklärte Vorstellung werden Glückskekse vollindustriell in hohen Stückzahlen gefertigt, in Großpackungen an Restaurants oder Händler geliefert, können die Käufer*innen wählen aus verschiedenen Sets von Texten. Das Versprechen von Glück wird zur standardisierten Massenware, zum Inbegriff von Konsum, das Orakel entzaubert sich.

Sangchul Lee lässt sich ein auf verschiedenste Ausstellungsorte, wenn er sich in sie hineinfühlt, ihre Eigenschaften beobachtet und mit wachsamen Augen kartiert. Er sieht Strukturen, Muster, Rhythmen, kehrt sie hervor aus unbewusster Wahrnehmung, birgt sie aus lichter Finsternis. Seine Kunst verschließt sich dem Ort nicht, sondern umarmt ihn, weitet sich von innen in ihn aus, greift sensibel architektonische Gegebenheiten auf. Modulare Systeme entstehen, die sich besser auf den jeweiligen Ort abstimmen lassen, sich anpassen an ihre einzigartige Umgebung. Material und Raum stehen so in wechselseitiger Beziehung, gewinnen jenseits von Kunst als Konsumobjekt an Neutralität. Mit durchlässigen Begrenzungen beschäftigte sich Lee bereits früher, als er anlässlich seines Abschlusses 2018 als Meisterschüler von Franka Hörnschemeyer Bauzäune als Skulptur im Raum platzierte oder transparenter Stoff pyramidenförmig von der Decke hing im Düsseldorfer Offraum 8. All das gleicht einem Spiel mit dem Vorhang, wenn er Stoffe durch gläserne Platten sichtbar oder aber ganz im Gegenteil darunter verborgen macht. Stets kennzeichnen seine Arbeiten zudem ein Augenzwinkern, sobald ein Feuerlöscher mittels Spiegel zum Kunstobjekt wird oder sich Massagebälle unter schützendem Putz an der Wand verstecken. Selbst aus Südkorea stammend, waren es nicht die Anspielungen auf die asiatische Kultur, die Lee an Glückskeksen faszinierten, sondern die Schachtel als eine Art „Weltkugel der Absurdität“. Symbole von Sehnsucht, Fantasie und Transzendenz verfälschen sich auf ihnen zu Mysterien, werden auf Konsum reduziert, welcher sich in einem ewigen Kreislauf des Begehrens ergeht, dem sich nur schwerlich entfliehen lässt. Einmal in die Fänge des Systems geraten, ist das ultimative Ziel nicht mehr Glück, sondern die Aufrechterhaltung von Status. „Diamant, Drache und Glück“ begreift den Ausstellungsraum als Schnittstelle von kultureller Vielfalt und Hierarchie, betont seine Offenheit und auch seine Grenzen. Wem gelingt der Ausbruch aus gläsernem Gefängnis? Wer kann sich gegen Drachen behaupten, Diamanten erbeuten und letztlich zu Glück finden?

Diamond, Dragon, Happiness

Mustard-yellow and wine-red boxes pile up, harboring shiny gold cargo inside, the precious commodity of divination. What is happiness? Is it found enclosed in crispy pastries? Hope lies stored in the boxes, baked into biscuits, waiting on printed slips of paper as a sweet promise. Those who excitedly crackle the wrapping between their fingers, break the cookie, can feel them on their tongues even before the message unfolds, the sticky words of wisdom and prophecy that supposedly lead to the truth. They are boxes with diamonds in their names, with the company name “Diamond” in capitals. Printed dragons guard the freshly baked goods and, together with a golden shell, convey a sense of value where there is none. Where the fortune cookies originally came from has not been conclusively determined. However, they were probably invented by Japanese immigrants in the early 20th century and established in California. Contrary to popular belief, the sweet pastry was first exported to China in the 1990s, where it was previously completely unknown, even though Asians today regard the American export product as part of their traditional culture.

In the windowed glass architecture of the Palace, however, the cookies do not pile up as a mountain of golden treasures or lie cracked open at the bottom, but are still packed in transport crates.The impression of warehouses of large grocery stores is created, intensified by surveillance mirrors, as if they were helping with the loading and unloading. Seen from a distance, the work at Palace initially appears as a three-dimensional image, the mirrors sweeping hidden truths to light, as in paintings by the Old Masters. From any location, they turn the installation into an all-viewing, almost cubist-looking work of art, which lies as if enclosed in a showcase or seems detached when placed in public space.

“OPEN HERE” is written in capital letters on a pre-stamped flap. It is a signpost for opening the packages, a gateway to the treasure hidden in the dark.The architecture of the Palace is also open, allowing people to look in around the clock and yet creating invisible barriers as glass walls for the curious. At the same time, the boxes inside are visible and yet closed.The metallic packaging of the fortune cookies is distantly reminiscent of the texture of emergency blankets, which were already used in an exhibition by artist Sangchul Lee in Seoul in 2017. Stacked as cardboard boxes, the packages grow to the given limits as if in a green house, suggesting AndyWarhol’s Brillo boxes, which established a new kind of realism, transferring everyday consumerism into art. Beyond romanticized notions, fortune cookies are manufactured in large quantities on a fully industrial scale, delivered in bulk to restaurants or retailers, and buyers can choose from various sets of texts.The promise of happiness becomes a standardized mass product, the epitome of consumption, and the oracle becomes disenchanted.

Sangchul Lee engages with a wide variety of exhibition sites as he feels his way into them, observes their characteristics, and maps them with a watchful eye. He sees structures, patterns, rhythms, sweeps them out of unconscious perception, hides them from luminous darkness. His art does not close itself off to the place, but embraces it, expands into it from within and sensitively takes up architectural conditions. Modular systems are emerging that are more adaptable to the site, adjusting to their unique environment. Material and space are thus in a reciprocal relationship, gaining neutrality beyond art as a consumer object. Lee has already dealt with permeable boundaries before, when, on the occasion of his graduation in 2018 as a master student of Franka Hörnschemeyer, he placed construction fences as sculptures in the room or hung transparent fabric pyramidshaped from the ceiling in Düsseldorf’s Offraum 8.

All this resembles a game with the curtain, when he makes fabrics visible through glass panels or, on the contrary, concealed underneath. His works are always characterized by a wink of the eye, as soon as a fire extinguisher becomes an art object by means of a mirror or massage balls are hidden under protective plaster on the wall. Originally from South Korea himself, it was not the allusions to Asian culture that fascinated Lee about fortune cookies, but the box as a kind of “globe of absurdity”. Symbols of longing, fantasy, and transcendence are distorted into mysteries on them, reduced to consumption, which indulges in an eternal cycle of desire that is hard to escape. Once caught in the clutches of the system, the ultimate goal is no longer happiness but the maintenance of status. “Diamant, Drache und Glück” conceives the exhibition space as an interface of cultural diversity and hierarchy, emphasizing its openness and also its limits.Who will succeed in breaking out of the glass prison? Who can stand up to dragons, capture diamonds and ultimately find happiness?

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